
Stellungnahme der Freien-Wähler-Fraktion
zum Entwurf des Haushaltsplans 2020
Prof. Dr. Karl Ehinger

In der heutigen Sitzung soll die Haushaltssatzung der Stadt Bühl für das Jahr 2020 beschlossen werden. Der drastische Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen führt zu einer gefährlichen finanziellen Schieflage, so dass die Erwartungen für 2020 und in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2023 und die folgenden Jahre mit jährlich nur noch zwischen 18 und 18,5 Mio. € deutlich gedämpft werden. Der Rückgang ist u. a. der Krise in der Automobilindustrie geschuldet, welche nun auch wichtige Zulieferer der Branche mit voller Wucht trifft.
Nach intensiven Beratungen innerhalb des Verwaltungsausschusses und obwohl die Verwaltung konkrete Sparvorschläge noch umgesetzt hat, liegt nun ein Entwurf für die Haushaltssatzung 2020 vor, der dennoch im Ergebnishaushalt ein veranschlagtes Gesamtergebnis mit einem Defizit von 10.376.800 € aufweist. Dieser Fehlbetrag kann derzeit noch aus den Rücklagen gedeckt werden, so dass der Haushalt genehmigungsfähig ist. Das Ende der Fahnenstange wäre jedoch bald erreicht, sollte der städtische Haushalt nicht konsolidiert werden, sodass für die Haushaltssatzung 2021 die schwarze Null im Ergebnishaushalt zumindest wieder angestrebt werden muss.
Der Haushalt ist nur der maximale Rahmen, der möglichst nicht in vollen Umfang in Anspruch genommen werden sollte. Eine Haushaltstrukturkommission muss Vorschläge erarbeiten, damit für zukünftige Entwürfe Verbesserungen erreicht werden können. Hier gilt es auch, erfolgreiche Modelle anderer Kommunen zu prüfen und gegebenenfalls zu übernehmen.
Bei den angestrebten Sparmaßnahmen sind sowohl Augenmaß als auch Weitsicht gefragt. Dringend notwendige Instandsetzungen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden, sofern das zukünftig noch höhere Kosten verursacht. In der Höhe der fälligen Abschreibungen, sollten auch Mittel für neue Investitionen bereitgestellt werden.
Digitalisierung
Im Entwurf des Finanzhaushalts wird ein Zahlungsmittelbedarf aus Verwaltungstätigkeit von 8,354 Mio € prognostiziert. Die Freie-Wähler-Fraktion geht davon aus, dass neben den geringeren Umlagen in den Folgejahren dieser Bedarf auch mit fortschreitender Umsetzung der Digitalisierung der Verwaltungsprozesse sich in Zukunft reduzieren wird. Die digitale Transformation erfordert zunächst einen erhöhten personellen Aufwand. Die Bereitschaft und die Kreativität jedes Mitarbeiters werden notwendig sein, damit dieser Wandel gelingt. Dazu werden alle gebraucht, denn die Arbeitsaufgaben werden sich inhaltlich verändern. Aufgrund der Veränderungen entstehen auch Chancen zur persönlichen Weiterentwicklung jedes Einzelnen. Mit einer verbesserten Qualifikation bestehen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Möglichkeiten auf höherwertige Stellen. Wenn eine Stelle durch Kündigung oder Ruhestand vakant wird, muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Neubesetzung erforderlich ist oder eine Verteilung der Aufgaben auf andere Stellen möglich ist.
Von der Digitalisierung innerhalb der Verwaltung erwarten wir vereinfachte Kommunikationsmöglichkeiten der Bürger mit den städtischen Mitarbeitern und mittelfristig Senkungen von Verwaltungskosten.
Mobilität
Mit intelligenter Software für Mobilgeräte kann die Steuerung des Verkehrs und der Parkplatzbelegung unterstützt werden. Das bei fast allen Einwohnerversammlungen kritisierte hohe Verkehrsaufkommen kann nur durch den vermehrten Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und das Rad verringert werden. In diesem Zusammenhang bewerten wir die Teilnahme Bühls am RegioMove-Projekt und die Aufwertung des Bühler Bahnhofs zum Port positiv.
Im Rahmen der Bemühungen den Individualverkehr zu reduzieren soll die Stadt mit einem attraktiven Bonussystem ihre Mitarbeiter motivieren per ÖPNV ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Dies könnte als Vorbild für alle Bühler Firmen dienen.
Wir wollen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV nutzen. Dazu muss die Kernstadt von allen Stadtteilen aus und umgekehrt bei akzeptabler Taktrate erreichbar sein. Kostenlose Fahrten bei besonderen Events in Bühl können dazu beitragen Vorbehalte gegenüber den ÖPNV in der Bevölkerung abzubauen.
Die Neuausschreibung des Betriebs der Bühler Citylinie hat bereits begonnen. Dabei sind für zwei Linien Elektrobusse vorgesehen, deren Motoren im Betrieb keine Emissionen ausstoßen. Zur weiteren Steigerung der Akzeptanz öffentlicher Verkehrsmittel werden Schließfächer in zentraler Lage bei der Bushaltestelle am Kirchplatz benötigt. Dort können Teilnehmer des ÖPNV und auch Radfahrer ihre Einkäufe und Taschen deponieren.
Ob eine dauerhafte Sperrung der Hauptstraße für den Durchgangsverkehr zwischen den Kreiseln beim Rathaus und der Grabenstraße umsetzbar ist, wird das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung ergeben. Die Einschätzung des Bühler Einzelhandels und der Einwohner in den benachbarten Straßen zu den Folgen dieser Maßnahme ist dabei von großer Relevanz. Aus den Reihen der Freien Wähler gibt es weitere Vorschläge zur Verkehrssteuerung im Innenstadtbereich. Dazu gehören die Hauptstraße und - um Verdrängungsverkehr zu minimieren – auch die benachbarten Straßen zu Spielstraßen zu deklarieren, sowie Ampelanlagen jeweils im Norden vor der L85, die den Verkehr über den Zubringer bevorteilt und im Süden bei der Bühlertalstraße, damit die Fahrt durch die Hauptstraße unattraktiv wird.
Klimawandel
Die Stadt muss alles tun, um die Klimaerwärmung zu vermeiden – auch wenn die unmittelbaren Effekte weltweit gesehen marginal sein werden. Motto: global denken, lokal handeln. Wir müssen aber auch Vorsorge treffen, dass die Folgen des Klimawandels für unsere Bürger noch erträglich bleiben. Dies bedeutet zum Beispiel weiter den Hochwasserschutz verbessern, Belüftungsschneisen erhalten sowie für ausreichenden Beschattung von öffentliche Flächen und Gebäuden sorgen.
Am 28. November 2019 rief das EU-Parlament den Klimanotstand für Europa aus. Für den Antrag stimmten 429 Mitglieder des EU-Parlaments. Die meisten Stimmen kamen von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken. Trotz der weltweiten Klimaproteste haben die rund 200 Staaten bei der UN-Konferenz in Madrid im Dezember 2019 keine Fortschritte erzielt. Die Abschlusserklärung des Weltklimagipfels endete nur mit einem Minimalkonsens. Umweltgruppen und Klimaschützer zeigten sich empörten über den ins Stocken geratenen Prozess aus dem Pariser Abkommen von 2015.Die internationale Politik ist zersplittert, schwach und leicht zu blockieren. Das Klimapaket der Bundesregierung wird trotz Nachbesserung als nicht weitreichend genug kritisiert. Dies zeigt, die große Politik kann sich nicht auf dringend notwendige Maßnahmen einigen. Das von Wissenschaftlern eindringlich angemahnte globale 1,5 Grad-Ziel ist so nicht zu erreichen. Die weitere Klimaerwärmung kann nur vermindert werden, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern. Den Kommunen kommt dabei eine wichtige Rolle zu, indem sie wenn immer möglich nur Entscheidungen treffen, die das Klima nicht negativ beeinflussen. Deshalb erklärte der Bühler Stadtrat bereits am 10. Juli 2019 mit großer Mehrheit den Klimanotstand. In der anstehenden Klausurtagung des Stadtrats sollte Ziel sein, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten die schnell umgesetzt werden können.
Konkretes Beispiel: Um dem Klimanotstand Rechnung zu tragen dürfen ab sofort nicht nur die unmittelbaren Kosten einer Maßnahme berücksichtigt werden, sondern auch der energetische Aufwand. In vielen Fällen wird so die Reparatur gegenüber der Neubeschaffung eine bessere Bilanz aufweisen. Weitere Vorschläge haben alle Mitglieder unserer Fraktion zur Klausurtagung eingereicht.
Baumaßnahmen
Die bauliche Erweiterung des Kinderhauses Sonnenscheins um zwei Krippengruppen wurde in diesem Jahr begonnen. Sie ist nötig, um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden.
Unumgänglich sind auch Investitionen in den Bau der Campus-Mensa und in die energetische Sanierung des Windeck-Gymnasiums. Die Freie-Wähler-Fraktion ist für den Bau der Mensa für die Aloys-Schreiber-Schule und die Carl-Netter-Realschule mit Jugendcafé inklusive des für die Gemeinschaftsschule nötigen Raumprogramms. Falls das Mensa-Gebäude wie zuletzt geplant mit einer überdachten Terrasse realisiert wird, weist es sehr viele Außenflächen auf, welche aufwändig gegen Wärmeverluste zu dämmen sind. Passt dies zu unseren Klimaschutzzielen?
Wir erwarten, dass bei der Realisierung mit nur einem Obergeschoss ohne Terrasse Herstellungs- und Heizkosten eingespart werden können und ein kostengünstigerer Fluchtweg möglich ist. Wir sind bereit an einer Umplanung intensiv mitzuwirken, so dass das Ziel der Fertigstellung zum Schuljahresbeginn 2021 erreicht werden kann. Die vorgesehene Fassadenbegrünung und Photovoltaikanlage begrüßen wir; sie sind kompatibel mit unseren Klimaschutzzielen.
Die Freien Wähler freuen sich, dass mit der Vergabe der Architektenleistung ein wichtiger Meilenstein bei der von uns lange geforderten Sanierung des Windeck-Gymnasiums erreicht wurde. Es handelt sich um die größte Investition der nächsten Jahre und die größte finanzielle Herausforderung bei der Planung kommender Haushalte. Zur Finanzierung der Generalsanierung des Windeck-Gymnasiums muss 2020 ein erster Kredit in Höhe von 1,5 Mio. € aufgenommen werden.
Der Neubau eines Kreisverkehrs an der Kreuzung Rheinstraße – Steinstraße wird den Verkehrsfluss verbessern. Dies wird im Zuge der vom Landkreis finanzierten Straßendeckensanierung realisiert werden, so dass die Stadt von einem Zuschuss des Landkreises in Höhe von rund 60 Tausend Euro profitieren kann.
Für die Umgestaltung des Eisentaler Trottenplatzes erhält die Stadt einen Landeszuschuss von nahezu 600 Tausend Euro. In 2020 muss die Stadt noch 700 Tausend Euro investieren.
Für die Erschließung des Mooser Neubaugebiets „Hofmatten“ sind in 2020 noch 500 Tausend Euro erforderlich. Junge Familien haben dann die Möglichkeit sich in Moos anzusiedeln. Bei der Vermarktung kann die Stadt wieder Einnahmen über den Verkauf der Grundstücke erzielen.
Die Sanierung und Umgestaltung der Bühler Gartenstraße zum „shared space“ wird die Stadt 1,2 Millionen Euro kosten.
Weitere Investitionen sind für den Erhalt der Infrastruktur nötig. Ein Aufschub würde spätere Sanierungen verteuern. Insgesamt sollen so im kommenden Jahr 16,8 Mio € aufgebracht werden.
Städtische Eigenbetriebe
Im Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs „Abwasserbeseitigung“ wird von einem leicht positiven Ergebnis von 145 Tausend Euroausgegangen. Den notwendigen Ausgaben in Höhe von 4,8 Millionen Euro für die Erschließung von Baugebieten in Moos und Rittersbach, Bau des Regenklärbeckens in der Robert-Koch-Straße, Erhalt der Infrastruktur und der vorgeschriebenen Eigenkontrollverordnung stimmen wir zu. Aufgrund der Ablösung der ausstehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Stadt und Tilgungen sind Kreditaufnahmen nötig, so dass die Schulden auf den dann neuen Rekordwert von 32,8 Millionen Euro steigen. Der neue Höchstwert der Pro-Kopf-Verschuldung wird dann mit 1117 Euro fast drei Mal so hoch sein als die fast gleich gebliebene 390 Euro Pro-Kopf-Verschuldung des städtischen Haushalts. Mittel für künftige Investitionen können wegen des fatalen Kommunalabgabegesetzes leider immer noch nicht über Gebühren angespart werden, so dass die Schulden immer weiter steigen werden.
Mit Investitionen in Höhe von 2,9 Mio € wird der Eigenbetrieb „Breitbandnetz“ die Stadtteile Balzhofen, Moos und Oberbruch und weitere Teile der Kernstadt sowie die weiterführenden Schulen an das Glasfasernetz anschließen. Trotz des Landes-zuschuss von 1,2 Mio Euro ist eine Darlehensaufnahme in Höhe von 1,4 Mio Euro nötig, so dass die Verschuldung nun 3,7 Mio € beträgt. Dem Wirtschaftsplan stimmen wir zu und wir tragen die zu erwartenden Defizite in 2020 und den Folgejahren mit, denn in einer digitalisierten Welt ist schneller Internetzugang so wichtig wie Strom-, Gas- und Wasserversorgung.
Dank und Anerkennung
Die Freie-Wähler-Fraktion bedankt sich bei allen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere
- Herrn Oberbürgermeister Schnurr und Herrn Bürgermeister Jokerst für ihr Engagement ebenso wie auch allen anderen in der Verwaltung und im Dienst unserer Stadt Tätigen,
- Herrn Bauer und allen Beteiligten für die Erarbeitung des Haushaltsentwurfs,
- unseren tüchtigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Industrie, Dienstleistungs-unternehmen, Handel und Handwerk, Kirchen, in Arztpraxen und im Klinikum. Sie bringen sich in vielfältiger und für alle sehr belebender Weise in unsere kommunale Gemeinschaft ein, sei es bei den Sportvereinen, bei den Musik- und Gesangvereinen oder Fastnachtsvereinen und -gruppen,
- den Firmen und den Gewerbetreibenden, die unseren Bürgerinnen und Bürgern Arbeitsplätze bieten und die durch ihre Steuerabgaben der Stadt Bühl Gestaltungsfreiheit ermöglichen,
- der Polizei, der Freiwilligen Feuerwehr und allen Rettungsdiensten, die sich für unsere Sicherheit, Schutz und Gesundheit rund um die Uhr einsetzen,
- den vielen ehrenamtlich Tätigen bei der Integration von Geflüchteten,
- den über 80 Aktiven bei der Bühler Tafel für ihr Engagement zur Versorgung sozialbedürftigen Mitbürger,
- den Bürgervereinen (wie zum Beispiel in Balzhofen, Moos und Oberbruch), dem DorV-Zentrum in Eisental und dem Offenen Treff im Bürger- und Kommunikationszentrum in Weitenung.
Die Freien Wähler bedanken sich bei allen Einwohnern, die sich in generations-übergreifenden Bürgerbeteiligungen engagieren. Von Kinder-und Jugendkonferenz bis zum Seniorenrat wirken viele Bühlerinnen und Bühler mit. Ideen, die aus diesen hervorgehen, müssen ernst genommen und geprüft werden. Motivation und Lust am Mitwirken kann die Stadt fördern, indem sie Vorschläge umsetzt - aber auch kommuniziert, wenn etwas nicht realisierbar ist.
Die lokale Presse verdient unseren Dank für sachliche und objektive Berichterstattung des kommunalpolitischen Geschehens. Schließlich danken wir unseren Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat für faire und konstruktive Zusammenarbeit.
Die Fraktion der Freien Wähler stimmt dem Haushaltsplanentwurf wegen des Defizits nur schweren Herzens zu und mahnt zur Haushaltsdisziplin. Ebenso stimmen wir Wirtschaftsplänen für das Wirtschaftsjahr 2020 der Eigenbetriebe „Breitbandnetz“ und „Abwasserbeseitigung“ zu.